… in die Wildnis. Also Harz, ein Mittelgebirge in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und nicht weit von meinem ursprünglichen Nistkasten entfernt.
An alles hab ich gedacht, Mückenspray, Wasser, Sonnencreme und ganz extrem wichtig: Powerbank sowie das mittlerweile nabelgleiche Ladekabel nebst Kopf. Letzteres in ständiger Panik des Vergessens in die Tasche gestopft.
Jedoch, oh Schreck! Ich hab echt die überlebenswichtigen *Petitessen* vergessen.
Streichhölzer und Taschenmesser.
Was, wenn mich dort in der Provinz gelebte Dystopie erwartet? Könnte ja sein. Und dann?
Auf der Suche nach Geschichten bin ich zu „Malka Mai“ von Mirjam Pressler gekommen.
Nach langer Zeit hat mich kein Buch mehr so gefesselt, gebannt und emotional berührt. Es ist die Geschichte eines sieben Jahre alten, jüdischen Mädchens, das auf der Flucht vor den Deutschen in Polen während des 2. Weltkrieges – von Mutter und Schwester getrennt – jeden Tag um das eigene Überleben kämpft.
Verlassen.
Allein.
Hunger.
Kälte.
Erbarmungslosigkeit.
Traumatische Erlebnisse im Ghetto, auf der Straße. Immer in Lebensgefahr.
Ein Kind, ein Mädchen, sieben Jahre alt.
Ähnliches passiert auch jetzt jeden Tag, es spielt keine Rolle wo genau.
Es sind Kinderschicksale, die um uns herum passieren. Augen auf!
… fragte mich mein Magen vorhin auf dem Heimweg, „warum hast du die zahllosen Eierlikörpralinen NACH dem Fischfilet mit Spargel, Zuckerschoten und Farfalle noch gegessen?“
Nun, die Antwort hätte mit der Ausrede lauten können, dass die Köstlichkeiten sonst verdorben wären, oder so.
Aber nein, der tatsächliche Grund ist: Ich darf soviele Eierlikörpralinen essen, wie ich will.
… zugegeben, in letzter Zeit öfter, möchte ich den Kopf aus dem Fenster halten, einen Zeigefinger behutsam auf meine Lippen legen und ein schlichtes „Pssst“ verlauten lassen.
Und dann sollte es – nur einen kurzen Moment – still sein.
…hatte die Dummheit aufgehört, sich zu schämen und brach via Flugzeug auf, um auf der Nordseeinsel Sylt einen Platz zum Feiern zu suchen.
Da fand sich schnell ein Ort in der dünnbesiedelten Dünenlandschaft.
Einige überzeugte Fans der Dummheit ließen sich dann auch nicht lange lumpen und begrüßten den Gast vom Festland aufs herzlichste.
Endlich mal laut schreien dürfen, was man wirklich denkt. In diesen Zeiten ist es kastenübergreifend salonfähig geworden, die Würde mit Füßen zu treten.
„Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!!!!! “ grölt die schicke Jugend mit Aperol, Hugo, Moet etc. in der manikürten Hand zur Feier des Tages. Dieselbige übrigens zum Gruß an den 1945 suizidal verstorbenen Bartträger mit „Lindemann-Timbre“ in der Stimme.
Die Dummheit erfreute sich am Anblick dieser lustigen Menge lebensbejahender Menschen.
Zufrieden schickte sie sich selbst eine Erinnerung für den 9.6.24
Betreff: Wahlgang zur Europawahl verhindern!!!
To does:
* Wetterbericht auf „super Wetter“ prognostizieren, dann gehen alle zum Schwimmen
* Flugpreise nach Bali drastisch reduzieren
* Sonderangebote für Grillgut verteilen, dann hat ohnehin niemand Zeit, zur Wahl zu gehen
* Falschmeldung über Wahlfälschungen verbreiten.
Als das erledigt war, wurde es auch Zeit, sich wieder auf den Weg zu machen.
Für die Dummheit gibt es noch einiges zu organisieren – in den USA oder wo auch immer. Unendliche Gelegenheiten.
Thomas Mann und die Buddenbrooks stehen hier für echtes Marketing. Jeder Satz im Roman trägt vermutlich zur Gewinnmaximierung der ansässigen Geschäfte bei.
Natürlich auch beim „Niederegger“ Werksverkauf. Obwohl da gar nicht geschrieben wurde: „Ich wörde die ganze Zockerböchse nehmen, mein Kend!“
Man übt beim überbordenden Angebot dort automatisch Zurückhaltung, denn am Ende empfiehlt Dr. Grabow dann wieder wie bei mehreren anderen Gelegenheiten „Ein wenig Taube, ein wenig Franzbrot …“,
… geht der Besuch bei meinen Wurzeln dem Ende zu. Wie üblich sitze ich am Bahnhof in der Nähe meines früheren Nistkastens und bin satt und angefüllt.
Mit Liebe, also Rübensirup, Wurst und Markteiern abgefüttert von der emsigen Mama. Die grauen Federn hat sie immer gut im Griff. Der Mütterling in ihr flattert nun nicht mehr ganz so schnell, aber schnattern, das funktioniert auch im Sitzen bestens.
Wie unsichtbare Pfade verbinden sich ihre Geschichten miteinander, ergeben Bilder, die dann zu meinen eigenen Erinnerungen wurden und werden. Hier und da gewürzt mit versch(r) obenen Perspektiven und manchen Lästerein. Ja, das funktionierte schon immer und wird vermutlich nie langweilig in diesem, ihrem Nistkasten.
Hoch oben in Wolkenkuckucksheim.
Mein Nest – schön war es jetzt und ein bißchen traurig auch, weil die Zeit vergeht.
… am „Tag der Arbeit“ , also 1. Mai, mit E. zum Kiffen verabredet.
Es war eine längere Abstimmung, weil irgendwie immer was dazwischen kam.
Elternabend
Urlaub
Schnupfen
Aber jetzt, jetzt, wird es passieren. Wir suchen uns eine Bank im Park, weit weg vom Spielplatz. Wir werden unsere Sitzkissen von Tchibo unter unsere Popos schieben und dann…
Ja!
Was?
Wie ging das nochmal?
Gras aus Amsterdam in die langen Blättchen bröseln. Glaub‘ ich.
Oder E.? Wie ging das?
Quelle: Postkarte gestaltet von Inge Löök „aunties No. 8“