… es ist so schauderlich. Meine Freundin Melancholie stand heute so mir nichts, dir nichts vor der Tür.
„Hi“ , sagte sie, „dachte, die Zeit ist günstig für meinen jährlichen Besuch.“
Und seit exakt 16:53 Uhr hockte sie hier rum, an meinem Bett, in das ich mich larmoyant verzogen habe. Sie sagte die ganze Zeit nichts, sondern ließ mich nicht aus den Augen.
Meine Augen füllten sich derweil mit kleinen Tränen, in erster Linie, weil das Wetter doof ist und außerdem dräut es, demnächst noch früher dunkel zu werden.
Darüber hinaus, quasi als Folge, wollte ich plötzlich wieder ein Kind sein, im Herbst, in meiner kleinen Großstadt, in meinem Nest. Mein Vater müsste aus der Stadt nach Hause kommen und eine Tüte mit frischen, sorry, Mohrenköpfen in der Hand haben. Das war sein Ritual an Freitagen.
Und in meinem Erinnerungs-Setting waren wir als Kinder nach den Hausaufgaben mit Mama Kastanien auf der Schillerwiese am Waldrand sammeln. Wieder daheim bohrten wir Streichhölzer in die braunen, glänzenden Bäuche der Früchte, beklebten sie mit Stoffresten und gaben ihnen bunte Kleider und Namen. Diese Herbstfamilien wohnten dann bis auf weiteres in einer alten Schuhschachtel.
Ja, so wollte ich das haben! Nur noch einmal.
Genau heute! Und ich wurde in der ganzen Sehnsucht so traurig, weil das alles schon so lang vorbei ist und nie mehr so sein wird.
Die Melancholie schaut mich an.
Dann stehe ich aus dem Bett auf, schnappe mir die gekauften Pfeffernüsse aus der Küche und eröffne hiermit die vorweihnachtliche Saison 2025. Dann hole ich die Gläser aus Paris vom Regal und den Öffner vom Ritz-Carlton aus der Schublade und ziehe den Korken aus der Flasche. Der Dschinn entfleucht augenblicklich und schickt die Melancholie ganz tief in die Erinnerungskiste.
So leb‘ denn wohl! Bis 2026…
